Für die jüngere Generation ist es heute selbstverständlich ins Elsass zu fahren, dort gut zu essen, einzukaufen oder zu wandern ohne an der Grenze kontrolliert zu werden. Und auch die Elsässer kommen gerne zu uns. Doch nach dem 2. Weltkrieg dauerte die Post ins Elsass noch oft 3 Tage, ein Telefonat musste angemeldet werden und selbst kleine Einkäufe an der Grenze wurden kontrolliert und mussten verzollt werden.
Es war daher eine Leistung, das schon 1961 eine pfälzer Gemeinde mit einer Stadt im Elsass eine Städtepartnerschaft besiegelte. Die beiden Städte Reichshoffen und Kandel haben sehr schnell mit einer offiziellen Städtepartnerschaft dazu beigetragen, ein einiges Europa aufzubauen. Der Vertragsunterzeichnung Kandel/Reichshoffen waren Grenzlandtage vorausgegangen, sportliche und kulturelle Höhepunkte in Kandel, zu denen jährlich mehr als 10.000 Besucher gekommen waren. Der Unterschrift der politischen Entscheidungsträger in Kandel und Reichshoffen folgte 60 Jahre lang ein mehrfacher Austausch zwischen gewählten Amtsträgern, Senioren, Schulen, Sportlern, und Vereinen. Seit 30 Jahren unterstützt der „Verein grenzüberschreitende Freundschaften“ mit mehr als 100 Mitgliedern in Kandel die Städtepartnerschaft und trägt durch seine Arbeit den Gedanken der Freundschaft über die Grenzen weit in die Bevölkerung.
Neben einer Dokumentation der Gründungszeit der Städtepartnerschaft zeigt die Ausstellung Aktivitäten aus 60 Jahren Partnerschaft: Die beiden Städte festigten ihre Verbindung auf der Schiene: Der neue A-TER, in Reichshoffen gebaut, ermöglichte es Reichshoffener, zum 850. Stadtfest Kandel, verbunden mit dem 40. Jahrestag der Städtepartnerschaft, kostümiert nach Kandel zu fahren. Ein Jahr später brachte ein Sonderzug die Teilnehmer von Kandel zum Bahnhof nach Reichshoffen zur Doppeltaufe zweier Triebwagen. Bürgermeisterin Christa Loreth war Taufpatin von X 73904 mit dem Wappen von Rheinland-Pfalz. Eine weitere Gelegenheit, die beiden Partnerstädte grenzüberschreitend zu verbinden, war die Einweihung des renovierten Bahnhofs Kandel, zu der eine Reichshoffener Delegation mit dem Zug anreiste - ein Test vor der Eröffnung der regulären Verbindungen Straßburg – Neustadt-an-der-Weinstraße. Es folgten in den letzten Jahren Begegnungen von Stadträten und von Jugendlichen aus Schulen und Sport, ein gemeinsamer Ausflug beider Gemeinden zum Hartmannwillerskopf, nach Sarre-Union zur Orgelfabrik.
Erst bei der Vorbereitung der Feierlichkeiten zum fünfzigsten Jubiläum wurde die erstaunliche Übereinstimmung der Geburtstage festgestellt. Das Datum der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunde ist auch das Datum, an dem vor 150 Jahren die Schlacht bei Reichshoffen tobte. Das 50. Jubiläum war Teil eines Pamina-Projekts: Mega-Motorsägenskulpturen, gestaltet von Künstlern aus jedem Land aus Baumstämmen aus den Wäldern von Reichshoffen und Kandel. Ein Jahr zuvor in Kandel am Schwanenweiher gestartet, wurde die Aktion 2011 unter identischen Bedingungen in Reichshoffen wiederholt. Zur Erinnerung daran stehen einige Werke in Kandel am Schwanenweier und in Reichshoffen entlang des Chemin du Schwarzbach. Am bedeuteten ist jedoch das Carillon de l'Europe, ein Glockenspiel mit Glocken auf denen die Namen der Bürgermeister und Schutzheiligen der beiden Kirchen stehen, sowie einer Friedensglocke, die 2017 gegossen wurde, um an die Beschlagnahme der Reichshoffener Glocken für die Metallspende zu Gunsten der Deutschen Wehrmacht zu erinnern. Die Glocken erinnern an die eine Schlacht, an der auf der einen Seite Franzosen und auf der anderen Seite Deutsche, auf elsässischem Boden aufeinanderprallten. In Reichshoffen wird der verlorene Schlacht mit einer jährlichen Messe am 11. November gedacht. Im 21. Jahrhundert erklingen die Glocken anstelle der Kanonen von 1870. Kandels Bürgermeister und Beigeordnete sind in dieser Gedenkveranstaltung stehst anwesend und eine Delegation aus Reichshoffen kommt zum Volkstrauertag regelmäßig auf den Friedhof nach Kandel.
Die Ausstellung erinnert somit daran, dass Hass und Feindschaft eine Quelle von Konflikten sein können und dass es notwendig ist, Freundschaft zwischen den Völkern im Rahmen Europas zu pflegen.
Grafik: Armin Hott